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Zadie Smith »Freiheiten«. Oder: Nachdenken über Susi Maier

Unter dem etwas in die Irre führenden Übersetzungstitel »Freiheiten« (statt »Feel free« im Original) sind in diesem Band zahlreiche Essays versammelt, welche die Britin Zadie Smith für diverse Medien schrieb. Glänzen manche, sind wahre Lehrstücke der Essaykunst, erschließen sich andere wohl eher nur Anglo- oder Amerikanophilen; diese Kritik ist einzig denjenigen zuzuschreiben, welche die Übersetzung vornahmen – oder die vielmehr keine Auswahl für den deutschsprachigen Raum trafen, beziehungsweise sie nicht mit Kommentaren versahen. Ich, als Gegnerin jeder ›ausgewählten Ausgabe‹, hätte auf jeden Fall Letzteres bevorzug, denn es ist keine Schande in Londoner Lokalpolitik z.B. nicht versiert zu sein. Das sei mal vorausgeschickt.

Die Essays der Britin sind deshalb kleine Meisterwerke, weil sie den Lesenden in ihr Nachdenken einzuladen versteht, mag es nun um die Bibliothek als öffentlichen Innenraum kreisen, um bildende Kunstwerke und was sie uns erzählen, über das Schreiben im Allgemeinen und einzelne Meisterwerke der Literatur. Sie sind eine Fundgrube an Ideen und Gedanken, die manchmal Salti schlagen, oft bei einem Thema beginnen, um in einem weiten Bogen zum nächsten und alsdann anderswohin zu ziehen. Final jedoch enden sie wieder dort, wo sie begonnen haben. Es sind zudem sehr persönliche Zugänge, und das mag machen Lesenden irritieren oder enervieren, da sie alle um das Ich und seine Darstellung kreisen. Trotzdem sind sie höchst lesenswert, scharfsinnig und klug, frappieren einen mit Wendungen, die nicht vorhersehbar sind. So zum Beispiel wenn sich Martin Buber und Justin Bieber verbinden. 

Mir stellt sich nach der Lektüre vor allem die Frage, was wäre, wenn Zadie Smith nicht Zadie Smith wäre, sondern Susi Maier? Hätte »Kiepenheuer & Witsch«, dessen Frühjahresprogramm sich durch die Publikation von 18 Werken von Autoren und 8 Werken von Literatinnen auszeichnet (#vorschauenzählen), das Nachsinnen unserer fiktiven Susi Maier publiziert, selbst wenn diese ebenso eloquent, klug und witzig über unsere Welt und unsere Zeit schreiben würde? Ich bin mir der Antwort ziemlich sicher: Hätten sie nicht.