Elisabeth Petznek, geboren als Elisabeth Marie Henriette Stephanie Gisela von Habsburg-Lothringen, Erzherzogin von Österreich, Erzsi genannt, Enkelin von Franz Joseph und Elisabeth, Tochter von Rudolf und Stephanie, wurde 1883 in das nahende Ende der Monarchie geboren. Wäre es nach dem Großvater gegangen, hätte seine Lieblingsenkelin den deutschen Kronprinzen Wilhelm ehelichen sollen. Sie aber setzte den nicht ebenbürtigen Prinzen Otto zu Windisch-Graetz durch. Eine unglückliche Ehe, insbesondere aufgrund von Ottos Untreue und seinem Unverständnis dem gegenüber, wonach Erzsi sich sehnte, was sie denn meine, spreche sie von Erfüllung, von Liebe. Erzsi, die rundum wahrnahm, wie Frauen sich für gleiche Rechte stark machten, fand, sie habe diese auch verdient. Hängte die Korsetts an den Nagel (bzw. schenkte sie die teuren Stücke ihrer Zofe), wollte nicht mehr Objekt, sondern Subjekt sein. Und ihre Freundinnen, allen voran Anna Sacher, die Wiener Hoteliere, verstanden sie. Da öffnete sich für Erzsi schon mal deren Separee – wenn es Männer seit Jahrhunderten tun, warum nicht Frauen? Den Tratsch über die ›Sexbesessene‹ nahm Erzsi in Kauf. Zudem ihre Ehe schon länger nur noch auf dem Papier bestand. Scheidung kam für den Großvater dennoch kategorisch nicht in Frage. Auch nach dessen Tod blieb der Trennungsprozess schwierig. Die vier Kinder, wie damals üblich, wurden dem Vater zugesprochen, doch verweigerten sie ein Leben bei ihm. Die Umsetzung des Gerichtsbeschluss konnte Erzsi nur mit Hilfe einer mannstarken Gruppe sozialdemokratischer Arbeiterfunktionäre, die vor dem Wohnsitz Erzsis Aufstellung nahm, verhindern. Was überraschend klingt, liegt in der Persönlichkeit Erzsis und ihrer politischen Haltung begründet. Als junge Frau dem Spiritismus zugetan, der Telekinese und anderen parapsychologischen Erfahrungswelten, begegnete sie mit ebensolcher Neugier der jungen Sozialdemokratie. Dennoch blieb sie in ihrer persönlichen Lebensgestaltung, abgesehen von der Kleidung, wer sie gewesen war: ein Mitglied des Hochadels, herrisch, extravagant, ein Alltagsleben unterstützt von zahlreichen Angestellten. Ihr Leben wird bis zu ihrem Ende ein Balanceakt zwischen kaiserlicher Kindheitswelt und neuen, demokratischen Prinzipien bleiben.
Bei einer Wählerversammlung lernte sie den Lehrer und Abgeordneten Leopold Petzek kennen und lieben. Schloss Schönau, in Niederösterreich gelegen, ehedem ihr Hauptwohnsitz, wird nun um eine Stadtwohnung in der Marxergasse, nahe bei ihrem Geliebten, ergänzt. Republik, Austrofaschismus, Faschismus, Befreiung – Petzeks Tod 1956: in der Einsamkeit danach begann Erzis körperlicher Verfall. »Auf dieser Welt war noch kein Mensch, der mich jemals untergekriegt hätte, und es wird auch keiner kommen«, soll einer ihrer letzten Sätze 1963, kurz vor ihrem Tod, gewesen sein. Die Biographie gibt umfassende Einblicke in eine Welt des Wandels, angereichert mit aussagekräftigem Bildmaterial. Michaela Lindinger, Publizistin und Historikerin, die für das »Wien Museum« als Kuratorin tätig ist, gelang mit diesen Einblicken ein facettenreiches Bild der ehemaligen Erzherzogin, eine gelungene Darstellung ihrer widersprüchlichen, oft spröden Persönlichkeit, ihren Dämonen, Kämpfen, ihrem Eigensinn, durch die auch jene Faszination, die von dieser Frau ausging und noch immer ausgeht, verständlich wird. Wer sich für österreichische Geschichte interessiert, dem sei diese Biographie wärmstens empfohlen.
(Michaela Lindinger: Elisabeth Petznek. Rote Erzherzogin – Spiritistin – Skandalprinzessin. Wien: Molden 2021. ISBN: 978-3-222-15070-8)