Wer Henry James im Titel zitiert, legt die Latte hoch. »Don’t tell, show!«, das forderte der amerikanische Autor von sich und lieferte damit auch allen nachfolgenden Kolleg*innen eine simple klingende, wiewohl höchst wirksame Gestaltungsmaxime: Nicht behaupten solle man dies oder das in erklärenden Einschüben, sei es zur Psychodynamik in einem Roman, sei es eine Handlungsentwicklung, sondern alle Ereignisse müssten sich in einem Erzähluniversum organisch entwickeln. Die Schlüsse daraus zu ziehen, das sollte man der Intelligenz der Lesenden zutrauen.
Gleiches gilt nun also für diese sieben knapp gehaltenen Vorträge und Erfahrungsberichte, um die der »Verein ARGEkultur« bat, der 2021 sein 40-jähriges Bestehen feierte und dies nicht in Selbstbeweihräucherung und Vergangenheitsglorifizierung gestalten wollte, sondern der lieber andere Kulturinstitutionen und -vereine zum Nachdenken über unsere Zukunft einlud. Ein Nachdenken, das sich vor allem aus den Vergangenheiten der jeweiligen Orte nährt und das der Maxime folgt, gesellschaftliche Werte seien nicht bloß auf der eigenen Bühne einem Publikum zu vermitteln, sondern diese sollten sich tunlichst auch in der eigenen Struktur als umgesetzte Tat spiegeln: geschlechtergerechte Organisationsteams, in denen Diversität Alltag ist und die Entscheidungsprozesse demokratisch gefunden werden, die ihre Arbeit ökologisch nachhaltig ausrichten und keine prekären Beschäftigungsverhältnisse an ihrem Arbeitsort dulden. Höchst relevante Aspekte also, die unsere Gegenwart und Zukunft entscheidend prägen. Mit dabei die künstlerische Leiterin der Brunnenpassage Wien, Anne Wiederhold-Daryanavard, Ivana Pilić von D/Arts (Projektbüro für Diversität und urbanen Dialog), der Dramaturg und Experte für Nachhaltigkeit in der Kulturarbeit Sebastian Brünger, die Politikwissenschafterlerin und Referentin für Diversität am Nationaltheater Mannheim Sophie Kara-Ebner über inklusive Personalpolitik. Michelle Akanji und Juliane Hahn aus dem Züricher Theaterhaus Gesnerallee schreiben über die Überwindung hierarchischer Machtstrukturen und erste Schritte im Etablieren konsensueller Entscheidungsprozesse, und Sara Ostertag, Theatermacherin und Vorstandsmitglied der österreichischen IG Freie Theaterarbeit setzt sich mit notwendigen kulturpolitischen Strategien für eine prekariatsfreie Autonomie freischaffender Künstler*innen. In Tina Lorenz Beitrag dreht sich alles um Digitalität und die subversive Kraft dieser Gegenöffentlichkeit, während sich der Medienkünstler Karl Zechenter mit der Frage auseinandersetzt, was eine Stadt wie z. B. Salzburg zur Erhaltung einer lebendigen Kulturszene beiträgt bzw. beitragen sollte.
Allen gemeinsam ist, dass sie keine expliziten Forderungen aufstellen, sondern – gemäß einem der Grundsätze dieses Bandes – lieber Mut zum Wagnis beweisen und von (eigenen) Best Practice Beispielen berichten: ›Seht her: So kann es klappen, so kann kulturelle Arbeitswelt auch gestaltet werden und gelingen!‹
Klar, dass man bei dem einen oder anderen Aspekt mehr wissen möchte, vielleicht sogar kritisch nachfragen will, spontane oder reflektierte Einwände hat. Das aber minimiert keineswegs den Wert dieser Publikation: Sie ist ein Input, ein Impulsgeber, der anderes anstoßen möchte, und es wäre sehr sinnvoll, würde er nicht verpuffen, sondern z. B. dialogisch weitergeführt werden, an Breite gewinnen und den Diskurs über Kulturarbeit nachhaltig bereichern. Denn implizit schwingt in »Don’t tell show« natürlich auch die Botschaft mit, dass keiner in Zukunft behaupten solle, ›es‹ wäre ja eine tolle Idee, bloß leider unmöglich umzusetzen … – der altbekannte Bremsklotz, an dem wir uns bis zur Erschöpfung abarbeiten, wird in dieser Publikation elegant übersprungen Genau deshalb sei ihr eine breite Leser*innenschaft gewünscht, die bereit ist, darüber nachzudenken und sich alsdann im anderen Agieren zu erproben, nicht nur, aber auch: an allen Kulturinstitutionen in Österreich, Deutschland und der Schweiz.
Don’t tell show. 7 Impulse zur Zukunft der Kultur. Hg.*innen: Theresa Seraphin, Sebastian Linz, Verein ARGEkultur. Salzburg: Müry Salzmann Verlag 2021.